Klimawandel
Wir erleben ein großes Interesse von außen – von Journalistinnen, Autorinnen, Filmschaffenden und vielen neugierigen Besucher*innen, die nach Ilulissat kommen, um den Klimawandel mit eigenen Augen zu sehen.
Aber – und das will ich gleich ehrlich sagen – das Wort Wandel sagt es ja eigentlich schon: Es geht um etwas, das sich mit der Zeit verändert. Eine Bewegung von einem Zustand in einen anderen.
Und genau so ist es auch mit den Faktoren, an denen wir den Klimawandel erkennen können: Meeresspiegel, Temperaturen, Ausbreitung des Wintereises, Gletscherbewegungen, auftauender Permafrost und die Größe der Eisberge – all das sind Dinge, die man erst richtig versteht, wenn man sie über einen längeren Zeitraum beobachtet.
Wenn Sie also jetzt hier zu Besuch sind, sehen Sie ein Momentbild – ein einzelner Ausschnitt in der Zeit. Aber dieses Bild allein beweist noch nicht, dass sich das Klima verändert hat.
Trotzdem möchte ich ein paar Beobachtungen mit Ihnen teilen – denn hier, wo wir so nah an der Natur leben, haben wir ganz deutliche Veränderungen gespürt. Besonders beim Permafrost, beim Wintereis und bei der Größe der Eisberge.
Wenn Sie zum Beispiel vor 30 Jahren hier an der Mündung des Eisfjords gestanden hätten, hätten Sie etwas ganz anderes gesehen. Damals war der Fjord mit viel größeren und höheren Eisbergen gefüllt. Das lag daran, dass die Gletscherfront damals noch auf dem Meerwasser trieb – tief im Inneren des Fjords.
Heute dagegen liegt sie auf dem Fels – tief unter der Meeresoberfläche, ja, aber dennoch auf festem Untergrund. Und das hat großen Einfluss darauf, wie das Eis abbricht.
Früher brachen große Eisstücke relativ leise ab – riesige Platten lösten sich von der schwimmenden Gletscherfront und drifteten durch den Fjord.
Heute bricht das Eis öfter in kleineren Stücken. Das liegt daran, dass sich die Gletscherfront mehrere Kilometer zurückgezogen hat und jetzt auf dem Fels ruht.
Dieser Rückzug ist Teil eines Prozesses, der vor rund 170 Jahren begann – aber seit dem Jahr 2000 hat er sich stark beschleunigt. In manchen Sommern hat sich der Gletscher um sechs bis sieben Kilometer in nur einer Saison zurückgezogen.
Wenn wir von hier aus über die Diskobucht schauen, sehen wir eine weitere Veränderung: Die Bucht friert im Winter nicht mehr zu.
Das offene Wasser bedeutet, dass der Fischfang jetzt das ganze Jahr über möglich ist – mit kleinen Booten ebenso wie mit größeren Kuttern.
Weiter im Inneren des Eisfjords hingegen bildet sich im Winter noch immer Eis – dort wird intensiv auf Grönlandheilbutt gefischt, in Tiefen von 500 bis 800 Metern.
Dass die Diskobucht nicht mehr fest zufriert, hat große Auswirkungen auf die Fischer und Jäger.
Ein Jäger hat es einmal sehr treffend gesagt: „Es ist, als wäre eine Brücke eingestürzt – und ohne diese Brücke kommen wir nicht mehr zu den Fangplätzen, die wir über Generationen genutzt haben.“
Der Klimawandel hat also einen großen Einfluss auf die traditionellen Lebensgrundlagen – doch was die grönländische Kultur immer ausgezeichnet hat, ist ihre Fähigkeit, sich an Veränderungen in Natur und Klima anzupassen.
Auch in der Stadt Ilulissat selbst spürt man die Veränderungen.
Achten Sie mal auf die Straßen – manche sind uneben und haben große Wölbungen. Und hinter dem Stadtmuseum steht ein kleines Häuschen, das gefährlich schief ist.
Das liegt daran, dass der Permafrost im Boden zu tauen beginnt. Und wenn der gefrorene Boden seine Stabilität verliert, senkt oder verschiebt sich der Untergrund – das macht Probleme für Gebäude und Infrastruktur.
Beim Neubauen wird heute deshalb viel Aufwand betrieben, um bis zum Felsuntergrund zu gelangen und dort das Fundament zu gießen.
Doch dabei bleibt es nicht.
Der tauende Permafrost hat auch Folgen für unser kulturelles Erbe – vor allem in Sermermiut und an einer weiteren historischen Stätte weiter im Inneren des Eisfjords: Qajaa.
An beiden Orten haben gefrorene Bodenschichten wichtige archäologische Funde über bis zu 4.000 Jahre erhalten – darunter Kleidungsreste, Werkzeuge und Holz.
Aber wenn der Permafrost schwindet, beginnen diese Materialien sich zu zersetzen. Gleichzeitig nimmt die Erosion an den Hängen zu – und mit der Zeit können wir nur noch zusehen, wie Hausruinen und Spuren früherer Siedlungen ins Meer gespült werden.
Das ist ein natürlicher Prozess, ja – aber er wurde in den letzten Jahrzehnten stark beschleunigt durch das wärmere Klima.
Klimawandel ist also nicht unbedingt etwas, das man auf den ersten Blick erkennt.
Aber wenn man die Geschichte der Landschaft kennt – und den Geschichten zuhört, die hier erzählt werden – dann beginnt man zu verstehen, wie sich die Welt um uns herum gerade jetzt verändert.